VORARLECRG Wi
‘Die Hetze gegen
Heimatvertriebene
Von Otto Habsburg
Zu Pfingsten fanden tiberall in Deutsch¬
land die nunmehr traditionell gewordenen
Treffen der Heimatvertriebenen statt. Un¬
ter ihnen ragt der Sudetendeutsche Tag
hervor, an dem wieder weit mehr als
400.000 Menschen ieilnahmen — mit Ab¬
stand die bedeutendste Kundgebung in
ganz Westeuropa. Wie jedes Jahr gab die¬
-stischen Lander und auch vielen anderen
“Organen die Gelegenheiten, die Heimatver¬
triebenen als. ewig-gestrige, bése: Nazis und
-Revanchisten abzutun — ohne natiirlich
-Beweise fiir diese Behauptung zu bringen.
‘Wer die Gelegenheit hatte, dem groBen
Tag beizuwohnen,. wird einen. anderen als
den durch die Massenmedien vermittelten
-Eindruck erhalten haben, Man kann schwer¬
lich Leute unter drei®ig heute noch als Na¬
‘zis oder Ewig-Gestrige abtun. Gérade beim
Sudetendeutschen Tag war aber ein hoher
Prozentsatz von jiingeren Jahrgéngen. In
den Reden wiederum sprach, wie schon seit
Jahren, der Geist der Verséhnlichkeit, des
Verstandnisses, des Willens, mit den V6l¬
kerh Mitteleuropas zusammen zu arbejten.
Das gerade aber wurde bewuft verschwie¬
gen. kél fot :
Der Grund dieser méhr denn eigenarti¬
gen Haltung ist nicht schwer zu erkennen.
Für die Kommunisten sind die Heimatver¬
triebenen, die den linken Totalitarismus
am eigenen Leib verspürt haben, ein ernst¬
liches. Hindernis. Stalin hatte 1945 die Ver¬
treibung in der Hoffnung durchgeführt, die
verelendeten Millionen würden im zerstör¬
ten Deutschland aus Verzweiflung Revolu¬
tion machen. Er wurde darin redlich durch
die haSerfillten Morgenthau-Schiiler im
Westen unterstiitzt. Es geschah aber genau
das Gegenteil des Erwarteten. Die Heimat¬
| vertriebenen widerstanden der Versuchung
" der Gewalt, begannen sofort hart zu arbei¬
ten und halfen so das deutsche Wirtschafts¬
, wunder mitzuschaffen, welches den sowjeti¬
| schen Expansionsgeliisten ein Ende setzte.
Fiir die westlichen Kritiker der Heimat¬
vertriebenen sind diese aber vor allem ein
Dorn im Auge, weil sie immer noch leben
und nicht bereit sind, auf ihre legitimen
Rechte zu verzichten. Sie verhindern damit
jene angebliche Ostpolitik, deren einziges
Konzept eine ununterbrochene Serie von
VorschuBleistungen ware, fiir die man ga¬
rantiert nichts bekommen wird. Diese Poli¬
tik ist in Wirklichkeit nur eine Lésung der
Denkfaulheit und der Feigheit, weil es im¬
mer leichter ist auf Kosten anderer, ins¬
besondere der Schwdcheren, ,ja" zu sagen,
als sich um einen gerechten Kompromi8: zu
bemiihen. Dazu kommt noch, daB die Hei¬
matvertriebenen in der harten Schule des
Exils vieles gelernt haben, was andere
stort, insbesondere das Verstandnis für die
Bedeutung der Geradlinigkeit, der Arbeit
und des Willens zur Selbstbehauptung. Sie
stehen auf eigenen Füben — man nennt sie
darum Rechts-Reaktionaére. Das ist abwe¬
gig, da gerade in ihren Reihen es viele auf¬
Jaksch oder Reitzner waren. Daher werden
auch diese, bis tiber das Grab hinaus, ver¬
leumdet. Ihr Hauptverbrechen besteht dar¬
in, nicht einmal eine Nazi-Vergangenheit
Die Heimatvertriebenen — wenn man
sie nur ein wenig kennt — sind keineswegs
die unrealistischen Traumer, von denen die
»groBe" Presse so gerne berichtet. Sie wis¬
sen genau, daB sich die Lage von seinerzeit
nicht wiederherstellen láBt. Sie erkennen,
daB viele nicht mehr in die alte Heimat
am neuen Standort eine feste Stellung ge¬
schaffen haben. Aber sie wollen nicht auf
ihre Menschenrechte verzichten. Sie verste¬
hen, daB eine humane, für alle annehmbare
Qrdnung nur in einem gemeinsamen: Bue
vropa mit wahrer. Rechtssicherheit Und Frei- |
zigiqkeit erreicat werden kann.
Die Verieufelung der Heimatvertriebe- |
nen, insbesondere von seiten der westlichen |
Presse und Massenmedien, ist auf die
Dauer gefáhrlich. Auch der Mildeste wird
schlieBlich wild, wenn ihm stdandig seine
Worte im Munde herumgedreht werden,
wenn er fiir Taten verantwortlich gemacht
wird, fir die er nichts dafiir kann, wenn
alle seiné guten Intentidnen bewuBt ge¬
leugnet werden. Schon jetzt versuchén “e¬
wissenlose Demagogen den verstandlichen
MiBmut auszubeuten. Sollte das gelingen,
könnte dies unabsehbare Folgen haben.
chen Versöl :
unterstiitzen.