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Warenes _
Europawahilen? .
(7 Von Otto Habsburg

. Seit.dem für alle Beteiligten überraschenden
Ausgang der Salzburger Landtagswahlen be¬
schdftigen sich Parteimanager wie politische. Re.
dakteure mit dem Ereignis, Wenn auch immer
wieder eingangs betont wird, es handle sich
um einen Einzelfall —; man hat den Eindruck,
daB tiberhaupt bei uns alles nur mehr aus Ein.
zelfallen besteht — so ‘klingt doch Beunruhigung
und Sorge. durch. Denn das, was; geschehen ist,
laBt sich einfach nicht in: die. angenommenen
Gedankenschenias einordnen..Das betrifft. sogar
die . Meinungsforschung, . deren monumentaler
‘Fehlgriff die begliickende Tatsache gezeigt hat,
daB: der Mensch: nody immer nicht restlos zum
Anhangsel der Maschine herabgesunken ist.
“Es ist bezeichnend, dab man sich hauptsach¬
lich mit AuBerlichkeiten befaBt. Da wird: sofort
die leidige Frage des , Image" aufgeworfen. Die¬
ser Begriff ist vor einigen Jahren in Amerika
die Mode’ bei den Meinungsmachern gewesen
"und. wird: derzeit von ‘den’ méisten Europdern
nachgebetet, obwohl man im Ursprungsland auf
Grund. schlechter Erfahrungen schon wieder da¬
von : abkommt, Der Poliliker, der der Regel
gehorcht; muB:sich demnach mit einem Hut foto¬
gratieren. lassen, wenn. er. eine .Glatze hat; und
auf. den : Plákaten. zwei. der -Hinf. Doppelkinne
durch ‘Schatten: oder::durdi: Rand : verdecken.. Er
‘muf, nach’; dem © bertihmten- .Kennedy-Rezept,

uerst. die. Meinungsfarscher:,testen* schicken,
evor ér sich zu dieser. oder jener Frage diifert,
Mit einem: Wort, man darf nicht, mehr di
eigene -Ansicht ‘varireten; ‘sondern nur.mehr das,
was, ,ankomm{*, Damit entsteht eine Verfal¬
schung. der Politik, die. für die Demokratie ge¬
fahrlich- ist. Denn wie kann der. Wahlér wissen,
wen. er beauftragt,..wenn dieser nicht. sagén
soll, was: er will, sondern’ nur. das, was. der
Mehrhbeit angeblich geföllt. Das -muB .zu ‘einer

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negativen Auslese fithrén.’ ;

Zu dieser krankhaften Ueberbewertung des
Eindruckes kommt die Suche. nadi dem richtigen
Ansprechen.einzelner Elemente der Gemein¬
schaft. Man betrachtet das Volk nicht mehr als
Ganzes, sondern teilt es in Berufsgruppen auf
und versucht, diese in besonderer Weise. zu
bearbeiten. Dadurch geht das Gesamtbild ver¬
loren und kann nur mehr Erfiillungspolitik ge¬
macht werden. Diese wiederum befriedigt ins¬
besondere "die jiingere Generation nicht mehr,
die nach etwas Héherem strebt und auch vor
‘ berechtigten’ Opfern nicht. zuriickschreckt, Ge¬
tade ‘gefahrliche Katastropheneinsdtze haben

immer wieder’ gezeigt, daB auch die Langhaare

: gegenüber ihren. Kameraden nicht zurticcsteheén,
| werin man sich nur entschlieBt, etwas Verniinfti¬
ges von ihnen zu verlangen und ihnen Vers
trauen entgegenzubringen. :

Die meisten Kommentare zu den Salzburger
Wahlen blieben somit beim Nebensachlichen
hangen. ‘Das Bild wird hin und hér retuschiert.
Damit drangt.sith doch férmlich die Frage. auf,
ob es nicht an der Zeit ware, einmal zu unter.
suchen, was denn am Konzept der Politik selbst
erneuerungsbediirftig ware. Es ist allerdings: zu
fiirchten, da8 dieses Problem die nunmehr fol¬
genden Untersuchungen und Meinungsforschun¬
gen nicht beschaftigen wird.. _ .

Man -hat namlich in den Kommentaren fast
durchgehend vergessen, daB die erfolgreichen
Freiheitlichen bei ihrem Parteitag in Bad Aussee
eine grundlegende Neuausrichtung vorgenom¬
men haben. Das Programm wurde auf Europa
umgestellt, Europaziele wurden herausgearbei¬

Eine. Zeitung hat festgestellt, der Sieg de
Freiheitlichen in Salzburg sei nicht zuletzt dar¬
auf -zuriickzuftihren, daB die Jungen mit dem
Begriff ,Nazi* nichts mehr anzufangen wiiften.
Sie stiinden daher der Partei vorurteilslos
gegeniiber. Das. Wort ,,vorurteilslos", das zwei¬
felsohne bei den meisten Neuwáhlern zutrifft,
kann..vielleicht des Salzburger. Ratsels Lésung
sein. Es ware, namlich erwagenswert, ob nicht
bei der heranwachsenden Generation ein. Pro¬
gramm. mit Fernzielen besser ankommt, als es
sich gewisse aditere Strategen einreden.

Dem parteilich ungebundenen Beobachter,
der das Problem nicht aus innerpolitischer Sicht,
sondern von einer héheren Warte betrachten
kann, ‘stellt sich somit die Frage: waren die
Salzburger Wahlen nicht vielleicht doch Europa¬
Wahlen? Sehnen sich vielleicht die Jungen nicht
doch nach gréBeren Ráumen, nach einer Ge¬
meinschaft, in der man nicht mehr der Muster¬
knabe der Supermdchte ist, sondern zusammen

mit unseren Schicksalsgenossen wieder eine
geschichtliche Rolle spielen kann?