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Die NPD und die deutschen
Wahlen

von: Otto: Habsburg

Fiinf Monate vor der Ermeuerung des
deutschen Bundestages lauft-der:inoffizielle
Wahlkampf bereits: auf Hochtouren, wah¬
rend. die ‘Meinungsforschungsinstitute die
ersten Ergebnisse’ ihrer Rundfragen veréf¬
fentlichen, Diese scheinen zu zeigen, daB
die extremistische Nationaldemokratische
Partei NPD mehr als 5. Prozent der Stim¬
men erhalten kénnte und demnach.im nach¬
sten Parlament Sitz und-..Stimme: haben
wird. ". ‘ ;

Diese. Tatsache wird’ zwangslaufig
Deutschlands Rüf:in der Welt schadigen
und : der’ russischen “Propagandamaschine
Munition Hefern., Die parlamentarischen
Parteien. sind beunruhigt und. suchen. nach
Mitteln, um die. neue Kraft. abzuwehren.
Die. oft hysterischen. Bemtihungen scheinen
aber. wenig geeignet, den: Durcibruch der
Anhanger:des Herrn von: Thadden ‘zu ver¬
hindern; sie liefern diesem vielmehr gratis
Propagandamaterial, das er:sonst nicht -ein¬
imal fiir Millionen: hattey erwerben. kénnen.
-vn Der Aufstieg des. Nationdlsozialismus.in
-der: Weimarer- Republik: war nicht ‘so. sehr
die ‘Folge Hitlers .persénlicher Féhigkeiten,
wie-der: unglaublichen Fehler der Verteidi¬
ger .der..Demokratie;: Eine Studie, die vor
“einigen Jahren gemacht wurde, zeigt, dab,
‘wenn Weimar anstatt des proportionellen
Listenwahirechts das englische System ‘an¬
gewandt hatte, der NSDAP auf ihrem.Höhe¬
punkt nur. 36 Sitze. von-600 zuqefallen wa¬

die Organisation gehabt, um an: die Macht
zu kommen. Sie ware eine kleine Prote¬
stierergruppe unter vielen geblieben.
‘Das ist tibrigens der Grund, warum Mi¬
nister Franz Josef Strau8 und Bundeskanz¬
ler Kiesinger zu Beginn der Koalition vor¬
geschlagen hatten, eine. Wahlrechtsreform
durchzufiihren, die es den Totalitaren ein
für alle Mal unméglich gemacht hatte, legal
die Macht zu ergreifen. Das diesbeziigliche
Uebereinkommen zwischen den Parteien
wurde. nicht eingehalten, da es viele Abge¬
ordnete auf beiden Seiten gab, die wohl
wuBten, daB sie unter den wesentlich
! schwierigeren Bedingungen des neuen Sy¬
stems nicht mehr wiedergewahlt: wiirden.
‘Nach dem stillen Abkommen,’ welches zur
Wahi von Bundesprasident Heinemann
führte, wurde das. Projekt: begraben. Da die

: Freien Demokraten wu8ten, daB sie bei di¬
rekter Volkswahl nicht die geringste Aus¬
sicht auf Erfolg hatten, gaben sie ihre ent¬
scheidenden Stimmen der Partei, von der
sie erwarten konnten, sie wiirde die Re¬
form als Gegenleistung fiir ihre Unter¬
sttiizung fallen lassen. Der BeschluB hat der
NPD ihre groBe Chance erdffnet, Daher
klingen auch die Anklagen gegen diese
Partei.hohl, nachdem die Taten in krassem
Widerspruch zu den Worten stehen. . :

Um die offentliche Meinung abzulen¬
ken, wird nunmehr.immer larmender gefor¬
dert, man möge die NPD verbieten. Das
. kann aber nur durch das Héchsigericht von
Karlsruhe gemacht werden. Auch műssen
im Sinne des Grundgesetzes tiberzeugende
Beweise verfassungsfeindlicher, Gesinnung
vorliegen..Es ist zweifelhaft, daB diese-bei¬
gebracht werden kénnen. .Dartiber hinaus
können Manner, die gegentiber. Anarchi¬
sten und Maoisten Toleranz bis zur Mit¬
.schuld tiben, sich -kaum -glaubhaft, als Pa¬
(ladine der Demokratie und selbstlose
Kampfer gegen den Totalitarismus aufspie¬
jen. Leider liefert dieser lautstarke Propa¬
gandafeldzug. den rechten Extremisten die
| stárksten Argumente, Herr. von Thadden
"hat. es nicht mehr nétig, seine praktischen
‘Ziele bekanntzugeben oder die: konkreten
‘Reformen. der von.ihm gegeifelten Zu¬
stande zu verlautbaren — die er iibrigens
-wahrscheinlich selbst. nicht kennt. Er
braucht nurmehr die Martyrerpalme in die
-Hand:zu: nehmen, um" Sympathien zu ge¬
winnen. Seine Gegner sind. seine besten
Agenten geworden.

Die ‘Vertreter der NPD sitzen. seit eini¬
gen Jahren: in mehreren. Lainderparlamen>

ten. Ihre Rolle dort war jammerlich. Sie
haben gezeigt, daB sie nicht nur unfahig
sind zu regieren,. sondern nicht einmal so
intelligent, Opposition machen zu kénnen.
Dies hatte logischer Weise zu ihrem Ver¬
schwinden aus dem 6ffentlichen Leben -fiih¬
ren sollen,. Aber gerade ihre angeblich
scharfsten Gegner haben nichts getan, um
diese Tatsache auszuniitzen. Sie haben so-'
gar, wohl ‘dus Dummheit, die dffentliche:
Meinung von dem Hauptpunkt der Debatte:

der Tragödie : der. Weimar-Republik ver-'
gessen. GewiB..fehlen von Thadden die
Fahigkeiten Adolf Hitlers. Aber es ist, im
Lichte der Erfahrungen, unverantwortlich, |
auf einem so gefahrlichen Boden unndtige
Risiken einzugehen. ~