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Ve im Nahen Osten © , Von ‘Otto Habsburg " Die zahlreichen Zusammenstöbe zwischen Arabern und Israelis haben die Aufmerksamkeit von einer. Entwicklung im Nahen Osten abgelenkt, die bedeutendere Folgen haben diirfte als das SchieBen, die Bomben .oder die Handstreiche der Kommandos. Eine tiefgreifende politische Wandlung geht in den arabischen Staaten vor sich, welche die “Natur des Konfliktes beeinflussen konnte. " Nach dem Sechs-Tage- -Krieg des. Jahres 1967 waren alle Araber vorerst durch die erschiitternde Niederlage wie vor den Kopf _geschlagen. Ein Jahr spáter scheint aber ‘insbesondere die Jugend neue Hoffnung zu schépfen. So entsteht‘ die Mystik der Fe"dayin, Manner, die"— wie der Vietkong — ‘bereit sind, ihr Leben fiir nationale , und "söziale Ziele zu optern. Die. blühende" ard-bische Phantasie verwandelt, diese Unter| grundkampfer in ‘Uébermenschen, denen:es -gelingen. wird, die. jiidische Technik zu beSiegen: ‘In: anderen Worten wird ‘hier die ‘Jugendrehellion-gegen die. Konsumgesellschaft, die, weit über" die" Grenzen der Industriestaaten hinausreicht; mit dem natio‘nalistischen Dynamismus verbunden. Das ‘ist-eine wesentlich explosivere Mischung pals die Ideologie jener. ,Rebellen ohne Sa_che*, denen wir. in unseren StraBen begeg-nen. 2 Natiirlich hat diese neue Bewegung’ ihre ‘Propheten: und ‘ihre Strategie."Der Krieg ‘soll’ wieder’ begonnen werden, aber nach ganzlich neuen Grundsatzen. Da die Israelis “konventionell unbesiegbar erscheinen, muB ‘man sie in ,Befreiungskampfe” oder revo‘lutionare Kriege verwickeln. . In diesem Sinne wollen die Führer der palastinensischen Fedayin und der politischen Bewegung Karaka die gegenwartige Waffenruhe durch eine Serie von Provokationen beenden. Die Israelis sollen gezwungen werden. nicht nur ihre Offensive neu aufzunehmen, sondern auch die Ver| einigte Arabische Republik, Jordanien, | Syrien und Libanon g&nzlich zu besetzen. | Diese Lander miissen jegliche Form von -Waffenstillstand zurtickweisen. Gelingt dies, werden die Juden die Folgen ihrer ‘zahlenmaBigen Schwache zu fiihlen bekom‘men und nicht mehr fahig sein, die Guerilla| Bewegung zu zerschlagen. Sie werden langsam verbluten, bis die Araber stark genug -sind, alle Israelis ins Meer zu treiben. Diese. strategische Idee kann. aber nur verwirklicht werden, wenn die arabischen Regierungen daran mitwirken. Das ist gegenwartig nicht der Fall. Die Machthaber, gleich welcher politischen Orientierung, sind nicht bereit, die Verantwortung fiir ein solches Abenteuer. zu tibernehmen. Daher der Entschlu8 der jungen - Revolutionare, die Herrschenden zu -stiirzen. Seit einigen Wochen sprechen die Sendungen, insbesondere von Radio Aden, und die Proklamationen mit gleicher Scharfe vom ,feudalen” König Hussein, dem _,klein- -biirgerlich-reaktiondren” Nasser und den. ,Verradtern am Sozialismus” der Al Baath in Syrien. Sie alle sollen méglichst bald entmachtet und hingerichtet werden. | Nattirlich bereiten die Regierungen ihre | Verteidigung vor. Die gemeinsame Attacke schafft neue. Solidaritaét. Man sieht daher eine diskrete, aber wirkungsvolle Zusammenarbeit zwischen ‘den verschiedenen ara‘bischen Hauptstadten. So entsteht eine ‘neue Form des Panarabismus, der die ge| genwartigen nationalen Grenzen überspringt. Heute sind wir in einer ersten Phase. Diese kann eine gewisse Zeit andauern. Aber schon jetzt kann man vorhersagen, || daB die arabische Welt in eine revolutio| ndre Periode tritt, die interna.ionale Auswirkungen haben mu8. Die Machte kénnen gr6Bere Unordnung in lebenswichtigen Gebieten nicht zulassen. Fiir Amerika bedeu) tet der.Nahe Osten eine strategische Schliisselstellung ,und.Oelquellen, RuBland wie‘derum fiirchtet radikale politische Bewegungen, die seine Form des Kommunismus links tiberholen und damit direkt oder indirekt Ma Tse Tung stárken. Für Moskau ist China das Problem Nummer eins, Was immer in dieser Welt geschieht, wird ‘in dieser Perspektive beurteilt. \ tische Zeit. Dies ist umso mehr der Fall, als Europa in seiner Uneinigkeit nicht fahig ist, die Rolle zu spielen, die ihm logi| schen der Alten Welt und den siidlichen | Kiisten des Mittelmeeres sind stark, so da8& | die Europder weit mehr tun konnten, um { machte vermégen. Wir tragen damit eine groBe Verantwortung,, falls — infolge unserer politischen Tragheit — Ereignisse. eintreten, deren Leidtragende nicht zületzt auch wir waren. |