OCR
3.1V.69 Warenes _ Europawahilen? . (7 Von Otto Habsburg . Seit.dem für alle Beteiligten überraschenden Ausgang der Salzburger Landtagswahlen beschdftigen sich Parteimanager wie politische. Re. dakteure mit dem Ereignis, Wenn auch immer wieder eingangs betont wird, es handle sich um einen Einzelfall —; man hat den Eindruck, daB tiberhaupt bei uns alles nur mehr aus Ein. zelfallen besteht — so ‘klingt doch Beunruhigung und Sorge. durch. Denn das, was; geschehen ist, laBt sich einfach nicht in: die. angenommenen Gedankenschenias einordnen..Das betrifft. sogar die . Meinungsforschung, . deren monumentaler ‘Fehlgriff die begliickende Tatsache gezeigt hat, daB: der Mensch: nody immer nicht restlos zum Anhangsel der Maschine herabgesunken ist. “Es ist bezeichnend, dab man sich hauptsachlich mit AuBerlichkeiten befaBt. Da wird: sofort die leidige Frage des , Image" aufgeworfen. Dieser Begriff ist vor einigen Jahren in Amerika die Mode’ bei den Meinungsmachern gewesen "und. wird: derzeit von ‘den’ méisten Europdern nachgebetet, obwohl man im Ursprungsland auf Grund. schlechter Erfahrungen schon wieder davon : abkommt, Der Poliliker, der der Regel gehorcht; muB:sich demnach mit einem Hut fotogratieren. lassen, wenn. er. eine .Glatze hat; und auf. den : Plákaten. zwei. der -Hinf. Doppelkinne durch ‘Schatten: oder::durdi: Rand : verdecken.. Er ‘muf, nach’; dem © bertihmten- .Kennedy-Rezept, uerst. die. Meinungsfarscher:,testen* schicken, evor ér sich zu dieser. oder jener Frage diifert, Mit einem: Wort, man darf nicht, mehr di eigene -Ansicht ‘varireten; ‘sondern nur.mehr das, was, ,ankomm{*, Damit entsteht eine Verfalschung. der Politik, die. für die Demokratie gefahrlich- ist. Denn wie kann der. Wahlér wissen, wen. er beauftragt,..wenn dieser nicht. sagén soll, was: er will, sondern’ nur. das, was. der Mehrhbeit angeblich geföllt. Das -muB .zu ‘einer 3 negativen Auslese fithrén.’ ; Zu dieser krankhaften Ueberbewertung des Eindruckes kommt die Suche. nadi dem richtigen Ansprechen.einzelner Elemente der Gemeinschaft. Man betrachtet das Volk nicht mehr als Ganzes, sondern teilt es in Berufsgruppen auf und versucht, diese in besonderer Weise. zu bearbeiten. Dadurch geht das Gesamtbild verloren und kann nur mehr Erfiillungspolitik gemacht werden. Diese wiederum befriedigt insbesondere "die jiingere Generation nicht mehr, die nach etwas Héherem strebt und auch vor ‘ berechtigten’ Opfern nicht. zuriickschreckt, Getade ‘gefahrliche Katastropheneinsdtze haben immer wieder’ gezeigt, daB auch die Langhaare : gegenüber ihren. Kameraden nicht zurticcsteheén, | werin man sich nur entschlieBt, etwas Verniinftiges von ihnen zu verlangen und ihnen Vers trauen entgegenzubringen. : Die meisten Kommentare zu den Salzburger Wahlen blieben somit beim Nebensachlichen hangen. ‘Das Bild wird hin und hér retuschiert. Damit drangt.sith doch férmlich die Frage. auf, ob es nicht an der Zeit ware, einmal zu unter. suchen, was denn am Konzept der Politik selbst erneuerungsbediirftig ware. Es ist allerdings: zu fiirchten, da8 dieses Problem die nunmehr folgenden Untersuchungen und Meinungsforschungen nicht beschaftigen wird.. _ . Man -hat namlich in den Kommentaren fast durchgehend vergessen, daB die erfolgreichen Freiheitlichen bei ihrem Parteitag in Bad Aussee eine grundlegende Neuausrichtung vorgenommen haben. Das Programm wurde auf Europa umgestellt, Europaziele wurden herausgearbeiEine. Zeitung hat festgestellt, der Sieg de Freiheitlichen in Salzburg sei nicht zuletzt darauf -zuriickzuftihren, daB die Jungen mit dem Begriff ,Nazi* nichts mehr anzufangen wiiften. Sie stiinden daher der Partei vorurteilslos gegeniiber. Das. Wort ,,vorurteilslos", das zweifelsohne bei den meisten Neuwáhlern zutrifft, kann..vielleicht des Salzburger. Ratsels Lésung sein. Es ware, namlich erwagenswert, ob nicht bei der heranwachsenden Generation ein. Programm. mit Fernzielen besser ankommt, als es sich gewisse aditere Strategen einreden. Dem parteilich ungebundenen Beobachter, der das Problem nicht aus innerpolitischer Sicht, sondern von einer héheren Warte betrachten kann, ‘stellt sich somit die Frage: waren die Salzburger Wahlen nicht vielleicht doch EuropaWahlen? Sehnen sich vielleicht die Jungen nicht doch nach gréBeren Ráumen, nach einer Gemeinschaft, in der man nicht mehr der Musterknabe der Supermdchte ist, sondern zusammen mit unseren Schicksalsgenossen wieder eine geschichtliche Rolle spielen kann?