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gy 7 c I " Gewitterwolken — | über Deutschland Von Otto Habsburg " "Eine Studie: der sowjetischen Politik im Laufe der letzten Jahre zeigt, daB eine jede Handlung durch langandauernde psychologische, Vorbereitungen der Weltmeinung eingeleitet wird. Alles: wird in Bewegung -gesetzt, um das ausersehene Opfer: moralisch fertigzumachen, noch bevor’ man zúschlagt. “Diese Vorgangsweise wird wesentlich durch die.groRe, Anzahl. der in der ‘westli‘chen Welt lebenden_,niitzlichen Idioten" erleichtert.. Diese betrachten . die Sowjetunión. als: moralisch iiberlegen, da sie -angeblich die áuBerste Linke. vertritt: und links“ mit ,Tugend" gleichgesetzt ‘wird. "DaB" es: dabei "im totalitaren. Raum 'weder »rechts” noch", links". gibt — wie es schon dér franzdsische SozialiStenflihrer Léon Blum feststellte — witd geflissentlich vergessen, ‘So wird denn jedermann angefeindet, der, die Krafte, die angeblich. in der Richtung des ,,Stromes der Geschichte" wir-. ken, bekümpít. -Es ist seine..unverzeihliche Missetat, sich gegen den ,,Fortschritt" zu versiindigen. Das hat auch die paradoxe ee daB sich die’ Verbrechen, die von -éiten der Kommunisten begangen werden, in kürzéster Zeit verjahren. Praq ist.schon nach sechs Monaten verziehen worden. So gesehen, ist es fiir die groBen Linien der ‘Politik ‘von Interesse, die Anschuldi‘gungen und Insulten’ des: sowjetischen Rundfunks und der kommunistischen Presse zu.verfolgen, auch dann, wenn sie. noch so lacherlich sind. . | ; fir ; '\ Heute ist das wichtigste HaBobjekt wieder einmal: die Bundesrepublik Deutschland. Bonn wird für alles und jedes, was schlecht auf dieser Erde ist, verantwortlich gemacht.' Es gibt aber noch eine viel ernster zu nehmende Tatsache. Die Sowjets versuchen mit allen Mitteln, eine angeb| liche Rechtsgrundlage zu schaffen, die eine } Intervention begriinden kénnte. Auf diese Weise sollen offensichtlich gewisse Ereignisse auBerhalb des Rahmens der bestehenden. internationalen. Gepflogenheiten, die die Grundlage der Biindnisse sind, gestellt werden. _. So hatten wir zuerst den Propagandafeldzug beziiglich der Paragraphen in der Charta der UNO, die in San Francisco gegen Deutschland und Japan verfaBt wurden. Die Tatsache, daB diese reinen Uebergangsbestimmungen offensichtlich nichts mehr mit der heutigen Zeit zu tun haben, hat die Sophisten Moskaus mitnichten entmutigt. ; . Dann kamen die politisch diplomatischen Manöver im Zusammenhang mit dem ,Atomaren: Nichtweitergabe-Vertrag", der auch den Naivsten hatte tiberzeugen können, :daB, im Gegensatz zu den frommen Gemeinplatzen in der Práambel; das Dokument nicht . ein: Abriistungsinstrument: ist. Es soll: vor allem den Supermachten ermog-, lichen, die Wirtschaft der nichtatomaren Staaten, insbesondere " Deutschlands, des reichsten Landes Europas, zu Kontrollieren. SchlieBlich. stellen einige osteuropdische Zeitungen. die Behauptung auf, ein Konflikt: zwischen der Bundesrepublik und: der DDR sei nicht als internationale Aggression, sondern als Biirgerkrieg anzusehen. Diese neue ‘Propagandalinie sollte nicht. unterschatzt werden, nachdem Diktator Ulbrichts Volksarmee ‘eine ernstliche Kraft darstellt. gezeigt, daB die 209.000 Mann, über die die :kommunistische ostdeutsche Regierung verfiigt, eine Elite sind. Es ware’ein folgenschwerer Irrtum, diese Tatsache nicht zur Kenntnis zu nehmen. Ein ,Bürgerkrieg" muB demnach nicht zwangslaufig — wie so viele glauben — mit dem Sieg des reichsten und dichtest bevélkerten Teiles des Landes enden. Was sich hier auf der Propagandafront abspielt, sollte also aufmerksam verfolgt ; werden, umso. mehr, als -wir-uns -offensicht“lich in einem Anfangsstadium befinden. Nichts ist nachteiliger, als die friihen Zeichen einer Krise zu tibersehen. Es ist immer kliiger,.diese ernst zu nehmen und schon zu Anfang in Ruhe und Ueberlegung jene politischen und diplomatischen MaBnahmen : zú ergreifen, die zeitgerecht die Gefahr ein-. dámmen und insbesondere der indirekten Aggression den Weg versperren. Die Ge-. schichte lehrt uris, daB es ein tédlicher FehJer ist, eine Entwicklung bis zu jenem Punkte treiben zu lassen, an dem für den poténtiellen Angreifer der Weg zurtick versperrt sein könnte.